Detail Fraktion DIE LINKE/Piraten

Anfrage bezüglich der Weitergabe von Daten HIV- bzw. Hepatitis-infizierter Personen an Polizeibehörden

Kreistagsfraktion DIE LINKE./Piraten, Siegfried Nowak

Die Fraktion des Kreistages Paderborn DIE LINKE./Piraten stellt an die Kreisverwaltung eine Anfrage bezüglich der Weitergabe von Daten HIV- bzw. Hepatitis-infizierter Personen an Polizeibehörden.


Anfrage vom 20. September 2016:

Sehr geehrte Damen und Herren,

sehr geehrter Herr Landrat,


die nordrhein-westfälische Landesregierung lässt im polizeilichen Auskunftssystem (POLIS) NRW das Merkmal „ANST“ an Personen vergeben, die HIV-positiv bzw. mit Hepatitis B oder Hepatitis C infiziert sind. In Beantwortung (Landtagsdrucksache 16/12796) einer Kleinen Anfrage wurde Anfang September bekannt, dass das Merkmal „ANST“ an 841 Personen vergeben wurde. AIDS-Hilfen haben wiederholt die Position vertreten, dass diese Speicherung personenbezogener Hinweise stigmatisierend sei und zudem auch das Argument, die Maßnahmen diene zur „Eigensicherung“ von Polizeibeamten, medizinisch unsinnig sei.

Die SPD/Grüne-Landesregierung will dennoch an dieser Speicherung festhalten. Sie erklärte zur Herkunft der Daten im polizeilichen Auskun

„Der personengebundene Hinweis „Ansteckungsgefahr wird nur vergeben, wenn Informationen von einem Arzt oder einer anderen öffentlichen Stelle auf Grundlage eines ärztlichen Attests oder einer entsprechenden ärztlichen Unterlage (z. B. Gesundheitsamt, Verwaltungsbehörde, Justizvollzugsanstalt) oder dem Betroffenen selbst zu einer Hepatitis B, Hepatitis C oder HIV -Erkrankung vorliegen.“

„Die Verantwortung für die Übermittlung von Daten trägt die übermittelnde Stelle. Diese hat die Rechtsgrundlage zur Übermittlung zu prüfen.“

Diese Aussagen haben zu großer Verunsicherung nicht nur bei HIV-Betroffenen geführt. Die Sicherheit und Vertraulichkeit ihrer bei Ärzten, Gesundheitsämtern und ggf. anderen Verwaltungsbehörden hinterlegten und gespeicherten Daten wird hinterfragt.

Vor diesem Hintergrund stellen wir folgende Fragen:

1. Wurden vom Gesundheitsamt oder anderen Bereichen der kommunalen Verwaltung Meldungen zu Personen mit HIV-positivem Status an Polizeibehörden übermittelt (bitte unter Angabe der Fallzahlen und der jeweiligen Rechtsgrundlage beantworten)?

2. Hält die Verwaltung die Erfassung des personenbezogenen Hinweises ANST im polizeilichen Auskunftssystem NRW für geeignet, das Vertrauensverhältnis HIV-Betroffener und mit Hepatitis Typ B oder C infizierte Personen zu Behörden zu stärken?

3. Welche Auswirkungen hat die von der SPD/Grünen-Landesregierung gemachte Aussage, Gesundheitsämter lieferten personenbezogene Daten zu HIV-Infektionen an die Polizei, nach Auffassung der Verwaltung auf die HIV-Testbereitschaft der Bevölkerung.

Gez.: Siegfried Nowak, Andrea Musiol

        für Kreistagsfraktion DIE LINKE./Piraten

Verbleib:

Am 26. September 2016 beantwortete das Amt 53 (Gesundheitsamt) mit der DS-Nr. 16.0577/1 die Anfrage der Fraktion wie folgt:

 

Die mit der DS.-Nr. 16.0577 von der Kreistagsfraktion DIE LINKE/PIRATEN gestellte Anfrage wird von der Verwaltung wie folgt beantwortet: 

Frage 1:

Wurden vom Gesundheitsamt oder anderen Bereichen der kommunalen Verwaltung Meldungen zu Personen mit HIV-positivem Status an die Polizeibehörden übermittelt (bitte unter Angabe der Fallzahlen und der jeweiligen Rechtsgrundlage beantworten)?

Antwort zu Frage 1:

Vom Gesundheitsamt wurden keine Meldungen zu Personen mit HIV-positivem Status an die Polizeibehörden übermittelt.

Nach den Regelungen des Infektionsschutzgesetzes hat die Meldung eines direkten oder indirekten Nachweises einer HIV-Infektion durch die die Infektion ermittelnde Stelle, nichtnamentlich gegenüber dem Robert-Koch-Institut zu erfolgen. Das Infektionsschutzgesetz sieht bei nichtnamentlichen Meldungen eine Beteiligung des Gesundheitsamtes nicht vor.

Die Übermittlung von Patientendaten unterliegt grundsätzlich sowohl der ärztlichen Schweigepflicht als auch den Regelungen des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten im Gesundheitswesen (Gesundheitsdatenschutzgesetz - GDSG NRW). Danach ist nach Auffassung der Verwaltung für grundsätzliche Meldungen zu Personen mit HIV-positivem Status an die Polizeibehörden ohne eine Einwilligung der/des Betroffenen im Einzelfall, derzeit keine rechtliche Grundlage erkennbar.

Soweit der Verwaltung bekannt ist, erhält die Polizeibehörde die Information über das Vorliegen einer HIV-Erkrankung entweder über eine erstmalige Eigenauskunft der/des Betroffenen (mündlich oder durch Vorlage von ärztlichen Attesten, Zeugnissen o. ä.) oder aus bereits durchgeführten Straf- oder Ermittlungsverfahren. Unabhängig von den vorstehend aufgeführten rechtlichen Schranken zur Übermittlung von Patientendaten erfolgt auch eine Anforderung entsprechender Informationen durch die Polizeibehörde bei den Angehörigen der ärztlichen Heilberufe nach hiesiger Kenntnis nicht.

 

Frage 2:

Hält die Verwaltung die Erfassung des personenbezogenen Hinweises ANST im polizeilichen Auskunftssystem NRW für geeignet, das Vertrauensverhältnis HIV-Betroffener und mit Hepatitis Typ B oder C infizierte Personen zu Behörden zu stärken?

Antwort zu Frage 2:

Nach den Vorgaben des Polizeigesetzes erfolgt die Erfassung des personenbezogenen Hinweises durch die Polizei soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben, zu einer zeitlich befristeten Dokumentation oder zur Vorgangsverwaltung erforderlich ist. Dabei kann die Polizei auch die im Rahmen der Verfolgung von Straftaten gewonnenen personenbezogenen Daten zum Zwecke der Gefahren-abwehr speichern, verändern und nutzen (§ 24 Abs. 1, 2 PolG NRW). Insofern ist zunächst nur ein bestimmter Personenkreis überhaupt von der Erfassung ggfls. bestehender personenbezogener Hinweise betroffen.

Hinsichtlich der Herkunft von Patienten-/Gesundheitsdaten als Grundlage für die Erfassung von personenbezogenen Hinweisen, s. zudem Antwort zu Frage 1.

Eine weitergehende Beurteilung entzieht sich der Zuständigkeit der Verwaltung.

 

Frage 3:

Welche Auswirkungen hat die von der SPD/Grünen-Landesregierung gemachte Aussage, Gesundheitsämter lieferten personenbezogene Daten zu HIV-Infektionen an die Polizei, nach Auffassung der Verwaltung auf die HIV-Testbereitschaft der Bevölkerung?

Antwort zu Frage 3:

Dazu liegen derzeit keine Erkenntnisse vor.

Anzumerken ist allerdings, dass die mit der Landtagsdrucksache 16/12796 gemachte Aussage der Landesregierung zur Herkunft der Daten (s. dortige Ziffer 2) ggfls. bezugnehmend auf die Regelung des § 23 Abs. 2 PolG NRW getroffen wurde. Danach muss, wenn wertende Angaben über eine Person in Dateien gespeichert werden, feststellbar sein, bei welcher Stelle die den Angaben zugrundeliegenden Informationen vorhanden sind. Hinsichtlich der Herkunft der Informationen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.