Gegen die Gesamtscheiße – Stellungnahme zur derzeitigen Situation im Landesverband NRW

Linksjugend ['solid] Paderborn

Mit Besorgnis beobachten wir die Ereignisse der letzten Tage und Wochen in der Linksjugend [’solid] NRW. Die derzeitigen Zustände haben uns nun dazu bewegt, ein Statement zu der aktuellen Situation des Landesverbands zu verfassen.

Zu der Situation

Auf der letzten Landesvollversammlung im Februar 2014 gab es seitens verschiedener Basisgruppen in NRW das Bestreben, sich mittels eines Antrags an den Landesverband von stalinistischen Ideologien und Dogmen zu distanzieren. Der Antrag und die damit verbundene inhaltliche Debatte wurden jedoch von einigen anwesenden Gruppen aus verschiedenen Gründen abgelehnt. Stattdessen wurde beschlossen, sich nicht mit dem Antrag zu befassen, sowie der Auftrag an den Landessprecher*innenrat gegeben, ein bildungspolitisches Angebot zu dem Thema zu schaffen, um eine sachliche Debatte zu ermöglichen.
Leider ist es dem LSPR seit der letzten LVV nicht gelungen, ein solches Angebot zu schaffen.
Statt zu einer qualifizierten Debatte unter geschulter Anleitung kommt es daher seit Wochen immer wieder zu Diskussionen rund um Verbrechen der Sowjetunion im Namen des Sozialismus, die häufig damit verbundene autoritäte Ideologie und den einseitig positiven Bezug zu Stalin auf den internen Kanälen der Linksjugend [’solid] NRW. Dabei laufen diese Diskussionen selten sachlich und besonnen ab, sondern arten oftmals in ausgewachsene Streits aus, die ein abschreckendes Klima für viele Beteiligten und Beobachtenden schafft. Es fällt dabei immer wieder auf, dass häufig von denjenigen, die Stalinkritik ablehnen, ein sehr dominantes und autoritäres Diskussionsverhalten ausgeht und darüber hinaus eindimensionale, einer schwarz-weiß-Logik folgenden, Feindbilder konstruiert werden, die anscheinend dazu dienen sollen, von der Kritik an der eigenen Ideologie abzulenken. So war mehr als einmal von „den“ Anarchist*innen und „den“ Antideutschen als Feindbild die Rede.

Vor diesem Hintergrund erschüttert uns der gewaltsame Angriff auf das Gründungstreffen der „BAK Shalom AG NRW“ in Wuppertal am Freitag, den 4. Juli, umso mehr. Dort wurden drei (vermeintliche) Antideutsche von fünf Unbekannten angegriffen und leicht verletzt. Bezeichnenderweise wurde bereits im Vorfeld der Veranstaltung aus den Stalin verteidigenden Kreisen dazu aufgerufen, die Gründung „kritisch zu begleiten“ und sogar offen zu stören und zu pöbeln. Nach dem Angriff wurde den Opfern aus eben jenen Kreisen statt mit Solidarität mit Hähme begegnet, es wurde sich in die Entscheidung, die Polizei einzuschalten, eingemischt und die Teilnehmer*innen des Treffens wurden abgefilmt.
Nur wenige Tage nach diesem Vorfall macht die Basisgruppe Marl in ihrer Stellungnahme Opfer zu Tätern und legitimiert den Angriff, bei dem auch ein vollkommen unbeteiligter Genosse zu Schaden kam, indem von Antideutschen als eine „rechte Strömung“ mit „rasstischem Gedankengut“ die Rede ist. Hierbei werden wieder Feindbilder nach einem schwarz-weiß-Schema konstruiert und missachtet, dass es auch innerhalb der antideutschen Strömung zahlreiche inhaltiche Differenzen und Grautöne gibt.

Was wir fordern

Allem voran fordern wir von unserem Landesverband eine umfassende Aufklärung der Vorfälle von Wuppertal. Insbesondere muss geklärt werden, ob Mitglieder der Linksjugend [’solid] in den Angriff oder die mögliche Planung involviert waren. Sollte dem so sein, sind entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Es muss für alle klar sein, dass die Linksjugend von je her einen gewaltfreien Aktionskonsens hat, der sich selbstverständlich auch auf den Umgang mit Strömungen, zu denen tiefe politische Differenzen bestehen, erstreckt.
Desweiteren besteht nachwievor der Auftrag an den LSPR, eine landesweite, bildungspolitische Veranstaltung zu organisieren, die den Raum bietet, die Verbrechen der Sowjetunion im Namen des Sozialismus und dem damit verbundenen positiven Bezug auf Stalin und die damit verbundene Kritik sachlich und konstruktiv zu diskutieren.
Gleichzeitig lehnen wir als Mitglieder eines emanzipatorischen, aufklärerischen Jugendverbandes jegliches dogmatisches Denken ab und verwehren uns gegen eindimensionale, schwarz-weiß gezeichnete Welt- und Feindbilder, die dazu geeignet sind, eine differenzierte Auseinandersetzung mit kontroversen Themen zu verhindern.

Schlussendlich befürchten wir in Hinblick auf die Zustände in unserem Landesverband, dass die Linksjugend [’solid] NRW durch die derzeitigen Konflikte existenziell gefährdet ist.
Zumindest aber haben wir beobachtet, dass viele Menschen, die in diesem Verband eigentlich ihre politische Heimat suchen oder gefunden haben, durch das dominante und dogmatische Auftreten einiger Genoss*innen in Diskussionen, abgeschreckt werden, sich weiter zu beteiligen oder mit dem Landesverband zu identifizieren.