"China braucht 50 Jahre bis zur Erreichung eines mittleren Wohlstands." - Theodor Bergmann zu Gast in Paderborn

DIE LINKE. KV Paderborn

Auf Einladung des Kreisverbandes kam der Kommunist Prof. Theodor Bergmann nach Paderborn. Bergman (Jahrgang 1916), langjähriger ausgewiesener Kenner Chinas und politischer Aktivist, war Professor für international vergleichende Agrarpolitik an der Universität Stuttgart-Hohenheim. Unter dem Titel „Chinas Weg in die Zukunft - Berichte, Analysen, Fragen“ riss er einerseits die jüngere Geschichte Chinas an und ging andererseits auf die soziologische und ökologische Entwicklung Chinas ein. Dabei nahm er kein Blatt vorm Mund.

Bergmann gab zunächst einen Überblick über die Geschichte Chinas vor 1949. Zu dieser Zeit war das Land von Feudalismus, technischer Stagnation und dem Einfluss europäischer Kolonialmächte geprägt. Diese Einflüsse führten unter anderem in die Gründung der Kommunistischen Partei Chinas 1921. Bis zur Gründung der Volksrepublik 1949 bekämpften sich die KP Chinas mit der Nationalen Volkspartei Chinas um Chiang Kai-shek.

Dem folgte eine Analyse Chinas nach der Gründung als Volksrepublik. Maos „Großen Sprung nach vorn“ bewertete der Agrarökonom als „ökonomische und technische Katastrophe, von der sich das riesige Land nur sehr langsam habe erholen können. Eine „Neue Ökonomische Politik“ in leninscher Tradition, eingeleitet seit den frühen 1990er Jahren habe schließlich den Weg geebnet zu umfangreichen Technologietransfers auch mit dem kapitalistischen Ausland, allerdings um den Preis, dass trotz aller Kontrollbemühungen seitens der Regierenden Interessengegensätze zwischen einer vermögenden Kapitalistenklasse und der Bevölkerung weiterhin bestehen geblieben seien. Die rasante Modernisierung Chinas habe zu einem „Aufholen zum technologischen Weltstandard“ geführt. „Heute bildet die Volksrepublik China ein ökonomisches und gesellschaftspolitisches Gegengewicht zur kapitalistischen Welt. Nicht Ein- und Unterordnung unter kapitalistische Regeln bestimmen die Position Chinas, sondern Ebenbürtigkeit und Autonomie“, meinte Bergmann.

Von immer wiederkehrenden weltweiten Verwertungskrisen habe China sich entkoppeln können, die gezielte Förderung des Binnenmarktes und ein stetig wachsender Lebensstandard für alle bewirkten eine geringere Exportabhängigkeit des Landes. „Die Krisenunabhängigkeit ist eine Folge der Planwirtschaft, da der chinesische Staat einen Gutteil des überschüssigen Mehrwerts unter seine Kontrolle bringt“.

Bergmann verschwieg jedoch auch die großen Herausforderungen und Probleme des 1,4 Milliarden Einwohner zählenden Landes nicht. Auch künftig werde es Interessengegensätze zwischen den verschiedenen Bevölkerungs- und Einkommensschichten  geben, beispielhaft beim Aushandeln von Grundnahrungspreisen oder bei Verteilungsfragen um den gesellschaftlichen Reichtum. Als besonderes Problem benannte Bergmann die schnelle Urbanisierung Chinas, ökologische Probleme, die Schaffung neuer Arbeitsplätze in Bezug auf eine sich ändernde Industrieproduktion und der Umweltfrage oder den Umgang mit den zig Millionen Wanderarbeitern. Des Weiteren führte er auch die Korruption als eine große Herausforderung für das Land auf.

Im Anschluss daran diskutierten die Gäste gemeinsam mit Theodor Bergmann.

Zur politischen Person Bergmanns:

Jahrgang 1916, trat 1927 dem Jungspartakusbund und dem Sozialistischen Schülerbund bei und schloss sich später dem KJVD-O, der Jugendorganisation der soeben gegründeten KP-Opposition, an. 1933 musste er emigrieren, zunächst nach Palästina, wo er u.a. in einem Kibbuz arbeitete. Später ging er in die Tschechoslowakische Republik und nach Schweden. Er kehrte 1946 nach Deutschland zurück, 1955 promovierte er an der Universität Hohenheim zum Strukturwandel in der Landwirtschaft Schwedens. 1965 wurde er dort wissenschaftlicher Mitarbeiter, später Professor für international vergleichende Agrarpolitik. Nach seiner Emeritierung 1981 widmete sich Theodor Bergmann verstärkt der Geschichte der Arbeiterbewegung, besonders der der KPD-O. Er ist Mitglied der Partei DIE LINKE. (Quelle: vsa-verlag.de)

Publikationen Theodor Bergmanns finden Sie hier.