Anfrage zur Kostenheranziehung nach dem neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz

DIE LINKE/Die PARTEI - Kreistagsfraktion Paderborn
OWL-PB

Am 24. Januar 2022 stellte die Kreistagsfraktion DIE LINKE/Die PARTEI eine Anfrage zur Kostenheranziehung nach dem neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG), welches seit Mitte 2021 in Kraft ist.

Die Anfrage vom 24. Januar 2022:

Sehr geehrter Herr Landrat,
sehr geehrte Damen und Herren,

am 10.06.21 ist das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) in Kraft getreten. Seit diesem Stichtag gelten neue Regelungen für die Kostenheranziehung junger Menschen in der Jugendhilfe. Bisher mussten Jugendliche und junge Erwachsene in stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie in Pflegefamilien in der Regel 75 % ihres durchschnittlichen Einkommens an das Jugendamt als Kostenbeteiligung abgeben. Im KJSG ist nunmehr ein Prozentsatz von höchstens 25 % festgeschrieben. Die Kostenbeteiligung kann ggf. ganz gestrichen oder pauschaliert werden.

Diese Kostenheranziehung – auch mit dem geringeren Betrag – erschwert die Verselbstständigung der betroffenen jungen Menschen und ist eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Jugendlichen und Erwachsenen. Die Kostenheranziehung demotiviert, weil sie auch die Bildung eines finanziellen Vermögens verhindert, das z.B. bei der Einrichtung einer eigenen Wohnung notwendig ist.

In diesem Zusammenhang stellen wir die nachstehenden Fragen mit der bitte um schriftliche Beantwortung:

  1. Wie viele Jugendliche und junge Erwachsene mussten in den letzten fünf Jahren einen Teil ihres Einkommens als Kostenbeteiligung abgeben? (Bitte Angaben für jedes einzelne Jahr)
  2. In wie vielen Fällen wurde seitens des Jugendamtes auf eine Kostenbeteiligung verzichtet, in wie vielen Fällen wurden die Kostenbeteiligung ermäßigt?
  3. Bereits in der Vergangenheit gab es Jugendämter, die auf die Kostenbeteiligung verzichtet haben, u. a. mit Verweis auf die enorm hohen Verwaltungskosten. Gibt es Erkenntnisse, welche Verwaltungskosten durch eine Kostenheranziehung je Fall entstehen? Wenn ja, wie hoch sind diese Kosten?
  4. Das neue KJSG bietet die Möglichkeit, ganz auf die Kostenheranziehung zu verzichten oder sie zu pauschalieren. Welche Haltung hat das Jugendamt in dieser Frage? Gibt es zu dieser Frage Hinweise, Verfahrensvorschläge an die örtlichen Jugendämter seitens der Landesjugendämter oder seitens des Landes NRW?


Mit freundlichen Grüßen

Manuel Leyva
Fraktionsvorsitzender


Antwort vom Amt 51 (Kreisjugendamt) vom 02.02.2022 (DS-Nr. 17.0445):

Seit Inkrafttreten des neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes am 10.06.2021 gelten neue Regelungen für die Kostenheranziehung junger Menschen in der Jugendhilfe.

Bisher hatten junge Menschen, die stationär untergebracht waren, 75 Prozent ihres durchschnittlichen Einkommens als Kostenbeitrag einzusetzen, wobei die Grundlage der Berechnung zunächst das Einkommen des Vorjahres (BVerwG Urteil vom 11.12.2020) bildete.


Durch das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz wurde nun geregelt, dass maximal 25 Prozent einzusetzen sind. Maßgeblich ist das aktuelle Einkommen bzw. das Einkommen des Monats, in dem die Leistung oder die Maßnahme erbracht wird.

Die aufgeworfenen Fragen werden wie folgt beantwortet:


zu 1.) In den letzten fünf Jahren haben jährlich rd. 20 Jugendliche und junge Erwachsene, zum Teil auch nur einzelne Monate eines Jahres, einen Kostenbeitrag gezahlt:

JahrKostenbeitragspflichtigeHilfeempfänger
20177
201821
201927
202020
202121

 

zu 2.) Das Kreisjugendamt hat in allen Fällen der unter Punkt 1 aufgeführten Tabelle den Kostenbeitrag in voller Höhe, sprich 75 Prozent des Einkommens bis zum 09.06.2021 und 25 Prozent des Einkommens seit dem 10.06.2021 festgesetzt. Ein Verzicht auf die Erhebung nach § 94 Abs. 6 S. 2 und 3 SGB VIII (Fassung bis zum 09.06.2021) und eine Härtefallregelung nach § 92 Abs. 5 S. 1 SGB VIII erfolgten aufgrund der Fallkonstellationen nicht.

zu 3.) Die Kosten der Heranziehung durch den Arbeitsaufwand der Verwaltungskräfte betragen pro Fall etwa 100 Euro jährlich. Ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand liegt nicht vor.

zu 4.) Seitens des Kreisjugendamtes erfolgt die Kostenheranziehung entsprechend der gesetzlichen Regelungen im SGB VIII. Hinweise oder Verfahrensvorschläge zum Verzicht oder der Pauschalierung bestehen seitens des Landes NRW oder des Landesjugendamtes nicht.
Beim Kreisjugendamt erfolgt jeweils eine Berechnung der individuellen Höhe des einzusetzenden Betrags. Bislang wurde in sämtlichen Jugendhilfefällen von der Festsetzung eines pauschalisierten Kostenbeitrages und eines gänzlichen Verzichts einer Kostenbeitragsfestsetzung abgesehen. Ein Abweichen von der bisher praktizierten Verfahrensweise wird zu einer Ungleichbehandlung innerhalb der Jugendhilfeeinrichtungen führen, in welchen Jugendhilfeempfänger verschiedener Jugendämter untergebracht sind. Alle Jugendämter fordern i. d. R. 25 Prozent des Einkommens als Kostenbeitrag.
Darüber hinaus erfolgt die Kostenheranziehung auch aus pädagogischen Gesichtspunkten. Teil der im Hilfeplan festgelegten Ziele der Jugendhilfemaßnahme ist die Verselbständigung eines Hilfeempfängers, zu welcher ein verantwortungsbewusster Umgang mit Geld gehört. Schlussendlich handelt es sich auch bei der Kostenheranziehung Jugendlicher und junger Erwachsener um eine Möglichkeit der Refinanzierung von Jugendhilfemaßnahmen