Siegfried Nowak: "Den Niedriglohnsektor wollen wir mit einem gesetzlichen Mindestlohn von zwölf Euro trockenlegen"

DIE LINKE. KV Paderborn
OWL-PBBT-Wahl 2017

Für die Bundesgeschäftsstelle Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (IG Zeitarbeit) ist es von Interesse, wie sich die Bundestagskandidaten zur Leiharbeit positionieren. Dazu wurden entsprechende Fragen den Kandidierenden gestellt. Siegfried Nowak beantwortete diese wie folgt:

Frage der IG-Zeitarbeit:

1. Zeitarbeit macht aktuell rund 2,5 % aller sozialversicherungspflichtigen Jobs in Deutschland aus. Aus Sicht der Wirtschaft und aus Arbeitnehmersicht bietet diese Beschäftigungsform eine Reihe von Vorteilen. Wie bewerten Sie die Rolle der Zeitarbeit in Deutschland?

Zuerst muss man mal sagen, dass das Wort Zeitarbeit für Leiharbeit steht. Es wird verwendet, weil es besser klingt.

Neoliberale Arbeitsmarktpolitik ist überall und insbesondere im Osten gescheitert: Wir wollen gute Arbeit statt prekärer Jobs. Den Niedriglohnsektor wollen wir mit einem gesetzlichen Mindestlohn von zwölf Euro trockenlegen. Tarifflucht durch Werkverträge und Leiharbeit muss unterbunden werden. Die ausufernden Befristungen wollen wir zurückdrängen und auf wenige Sachgründe beschränken. DIE LINKE steht für den Grundsatz »Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit!« – in Ost und West. Leiharbeit und Werkverträge passen nicht in das Modell einer zukunftsorientierten Regional- und Strukturpolitik. Mit den Gewerkschaften, den Kammern und Wirtschaftsverbänden beraten wir kontinuierlich über geeignete Maßnahmen, um das Unterlaufen von Arbeitsrecht und Tarifverträgen zu unterbinden, Leiharbeit und Werkverträge zurückzudrängen. Und streiten gemeinsam mit den Gewerkschaften dafür, sie umzusetzen.

2. Zeitarbeit ist tarifierte, zumeist? unbefristete, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einem allgemeinverbindlichen Mindestlohn. Trotzdem wird sie teilweise immer noch kritisch gesehen. Wie kann Ihrer Meinung nach die gesellschaftspolitische  Akzeptanz der Personaldienstleistung gesteigert werden?

Leiharbeit schafft im gleichen Betrieb Beschäftigte zweiter Klasse. Beschäftigte in Leiharbeit verdienten 2015 nur knapp 60 Prozent des Durchschnittslohns. Wir wollen die Leiharbeit abschaffen. Bis dahin kämpfen wir um bessere Bedingungen für die Beschäftigten! Lohndumping muss sofort unterbunden werden: Leiharbeiter und Leiharbeiterinnen müssen den gleichen Lohn wie Festangestellte plus eine Flexibilitätszulage von 10 Prozent erhalten! Kein Einsatz von Leiharbeitsbeschäftigten darf länger als drei Monate dauern. Leiharbeiter müssen nach drei Monaten im Betrieb übernommen werden und dürfen nicht gegen andere Leiharbeiter ausgetauscht werden. Der Einsatz von Leiharbeit und die Vergabe von Werkverträgen müssen an die Zustimmung des Betriebsrates und die Einhaltung der im Kernbetrieb gültigen Tarifverträge gebunden werden. Der Missbrauch von Werkverträgen durch Scheinwerkverträge muss wirksam unterbunden werden, indem die Beweislast umgekehrt wird und zukünftig beim Arbeitgeber liegt.

3. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ist in dieser Legislaturperiode in wesentlichen Punkten geändert worden (Lohngleichheitsregeln/ Höchstüberlassungsdauer/ Streikeinsatzverbot etc.); eine Evaluierung dieser Maßnahmen ist für 2020 geplant. Sind Sie der Meinung, dass die gesetzlichen bzw. tariflichen Regelungen für die Branche ausgewogen sind oder sehen Sie Handlungsbedarf?

Da sehe ich dringenden Handlungsbedarf. Übrigens habe ich bei meiner Selbstständigkeit im Stahlhoch- und Industriebau unter anderem Erfahrungen machen müssen, wie man unbequeme Mitarbeiter, welche auf ihre Rechte gegenüber ihren Arbeitgebern (Leiharbeitsfirma in Bielefeld) aufmerksam machten, behandelt hat. Diese waren nicht angenehm. Des Weiteren siehe Punkt 2 dieser Anfrage.

4. Keine andere Branche hat bislang so viele Flüchtlinge in Beschäftigung integriert, wie die Zeitarbeit. Wie stehen Sie zu einem dauerhaften Wegfall der Vorrangprüfung durch die Bundesagentur für Arbeit bei der Flüchtlingsbeschäftigung durch Zeitarbeit, die zunächst nur auf drei Jahre begrenzt wurde?

Den Wegfall der Vorrangprüfen sehe ich positiv, aber besser wäre, wenn auch diese Menschen eine dauerhafte Anstellung in einem Betrieb bekommen. Durch den ständigen Wechsel von einer Betriebsstätte zur anderen ist die Integration der Menschen erschwert. So sehe ich das. Da ich Mitglied des Flüchtlingsrat Paderborn bin und selbst mit Asylsuchenden und Menschen, die den Aufenthaltsstatus erhalten haben, direkt vor Ort zu tun habe kenne ich persönlich die eine und andere Situation der Integration. Ansonsten führe ich den Satz aus der Antwort 2 noch einmal an: Bis dahin kämpfen wir um bessere Bedingungen für die Beschäftigten!