Leserbrief zu “Glasfaser breitet sich in Salzkotten aus“ (NW vom 6. Juni 2018)

Paul Weitkamp, Linksfraktion Salzkotten

Alle Ratsvertreter waren sich einig in der Sitzung am 4.6.2018: schnelle Datenverbindungen und Breitbandversorgung stellen eine Verbesserung bei der digitalen Kommunikation für die Stadt und ihre Bewohner dar. Auch dass die Glasfaserkabel bis an die Häuser verlegt werden ist zweifelsfrei ein Vorteil.

Den Vorteilen stehen aber ernste Bedenken gegenüber, die der Presseartikel mit keiner Silbe erwähnt: die unbegründete Hetze, mit der der Kooperations-vertrag zwischen der Deutschen Glasfaser und der Stadt Salzkotten durch den Rat gepeitscht wurde. Nicht erwähnt auch die Monopolstellung, die der deutschen Glasfaser eingeräumt wird und die der geringen Verlegetiefe der Kabelnetze. Diese im Rat vorgetragenen Kritikpunkte bleiben völlig unerwähnt und so stellt sich der Vorschlag von Verwaltung und Ratsmehrheit fälschlicherweise als schlicht alternativlos dar!

Mindestens ebenso schwerwiegende Bedenken, und die werden auch nicht genannt, betrafen die langfristige Übertragung der Netzwerke an die deutsche Glasfaser! Völlig ohne Not verliert die Stadt jegliche Rechte über das Glasfaserkabelnetz. Offensichtlich ist auch keine vorherige Abstimmung mit der Genossenschaft „Breitband OWL eG“ erfolgt. Sie ist die bundesweit erste und bislang einzige Breitband-genossenschaft auf öffentlich-rechtlicher Basis. Wozu ist dann Salzkotten der Genossenschaft beigetreten? Sehr vernünftig wäre es gewesen und im Interesse der Bürger der Stadt, wenn das Netz im öffentlichen Einfluss bliebe um mitreden zu können mindestens bei Netzqualität und Preisgestaltung.

Zweifel sind auch angebracht, ob tatsächlich 98 % der städtischen Haushalte, wie der Bürgermeister forsch, optimistisch formulierte, nach Abschluss des Ausbaus des Glasfasernetzes versorgt sind. Zu befürchten steht, dass am Ende viel Stückwerk übrigbleibt: weiße, unversorgte Flecken, ein Flickenteppich und manche doppelte Leitung durch vorher ausgebaute, schon fertiggestellte Breitbandleitungen.

Das Beispiel der Nachbarstadt Delbrück zeigt, dass weitgehend spanische und griechische Firmen die Ausbauarbeiten ausführen. Das muss kein Problem der Verständigung sein; fraglich aber ist, ob bei allen Arbeits- und Beschäftigungs-verhältnissen die hier geltenden tariflichen und arbeitsrechtlichen Standards eingehalten werden. Zu dieser zentralen Frage gibt es keine Aussage im Kooperationsvertrag! Es ist kein Trost, dass andere Firmen auch keine besseren Arbeitsverhältnisse anbieten – vermutlich.

Überhaupt sind die Anmerkungen zur deutschen Glasfaser im Internet alles andere als uneingeschränkte Empfehlungen für das Unternehmen, das als internationaler Konzern in den Niederlanden residiert und in Borken seinen deutschen Hauptsitz hat. Die Steuereinnahmen bleiben also wohl nicht im Lande.

Der hochgelobte eigenwirtschaftliche Ausbau wird der Stadt aktuell sicherlich Investitionsaufwand ersparen; ob der finanzielle Vorteil auch langfristig so bleiben wird, das ist offen. Am Ende zahlen gar die Nutzer “die Zeche“. Vorteile durch schnellen Datenfluss bestehen vorrangig für Gewerbetreibende, die häufiger gleiche Geschwindigkeiten beim Hoch- und Herunterladen benötigen; aber interessiert das auch die vielen Privathaushalte? Für die deutsche Glasfaser ist ihr Profit der Nutzen, der Vorteil für die vertraglich gebundenen Nutzer ist sehr ungleichmäßig verteilt, für das Gewerbe eher mehr, für Private eher weniger. Die Stadt muss zwar keine eigenen Finanzmittel investieren, verliert aber auch über viele Jahre lang jeden Einfluss auf das Netz selbst und die Nutzungsbedingungen. Dafür “darf“ sie die Werbemaßnahmen der deutschen Glasfaser tatkräftig, kostenlos und freundlichst unterstützen – eine neutrale Kundenberatung sieht anders aus. Das vorgesehene Ladenlokal zur Kundengewinnung wird nach Abschluss der Ausbaumaßnahmen geschlossen; spätere Reklamationen nimmt die Hotline entgegen: tüt, tüt, tüt!

Paul Weitkamp
Salzkotten, den 8. Juni 2018