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Kreistagsfraktion DIE LINKE./Piraten lehnt Haushaltsentwurf für 2020 ab

Kreistagsfraktion DIE LINKE./Piraten
OWL-PB

Die Kreistagsfraktion DIE LINKE./Piraten lehnt auch dieses Jahr den eingebrachten Haushaltsentwurf für 2020 ab. Besondere Kritik äußerte Fraktionsvorsitzender Manuel Leyva an den mangelnden Zielen im Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs, aber auch am politischen Unwillen bei der Digitalisierung des Kreises. Der Haushalt wurde in diesem Jahr lediglich mit Stimmen der CDU bei Enthaltung des AfD-Abgeordneten angenommen. Die Fraktionen von Grünen, Linke/Piraten, FDP, FBI und SPD stimmten dagegen.

Die Haushaltsrede im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Landrat,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Gäste,

ein Jahr neigt sich dem Ende zu und wir stehen wieder vor der Frage, wie der Haushalt für das kommende Jahr aussehen soll.

Zunächst danken möchten wir unserem Kämmerer, Herrn Tiemann, dafür, dass er uns den Haushaltsentwurf dargestellt hat. Danken möchten wir an dieser Stelle aber besonders den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kreisverwaltung, die ihre sicher nicht immer leichte Arbeit, für die Bürgerinnen und Bürger des Kreises Paderborn erledigt haben.

Kommen wir aber nun zu unserer Kritik an dem vorgelegten Haushaltsentwurf.

Eine Politik der Nachhaltigkeit, ein sozial-ökologischer Umbau der Gesellschaft, ist uns als LINKE und Piraten ebenso wichtig, wie die Betonung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes. Und wir sind froh darüber, dass der Kreis bei der Planung und Umsetzung der Erweiterung des Kreishauses sich ambitionierte Ziele bei Energieeffizienz und Klimafreundlichkeit gesetzt hat. Auch das Engagement des Kreises beim Klima- und Naturschutz ist positiv zu erwähnen. So haben sich beispielsweise die Flächen der Naturschutzgebiete im Kreis in 20 Jahren nahezu verdreifacht. Geradezu absurd, ja paradox, wird es, dass eben dieser Kreis gleichzeitig einen Regionalflughafen krampfhaft am Leben erhält, obwohl vieles dagegen spricht!

Da wird uns ständig und nahezu mantraartig gesagt, dass dieser wichtig und gut für die hiesige Wirtschaft sei. Wenn dem so sei, warum beteiligt sich eben diese Wirtschaft nicht an den Kosten? Warum muss die Allgemeinheit etwas finanzieren, dass doch einer eher privilegierten und kleinen Gruppe von Nutzern zugute kommt? Der Kollege Weigel hatte es schon in der Debatte zur Verdopplung der Kreisbeteiligung treffend angesprochen: Während der Flughafen mit sinkenden Fluggastzahlen und einem hart umkämpften Markt zu kämpfen hat, bleiben die Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs auf der Strecke. Immerhin wird der Hauptbahnhof des Kreises Paderborn von etwa 4 Millionen Menschen jährlich genutzt. Dem stehen 700.000 Fluggäste gegenüber!

Weiterhin stellt sich die Frage, ob es überhaupt ein Konzept für den Flughafenbetrieb ohne öffentliche Zuschüsse gibt. Immerhin fordert die Europäische Union einen Rentabilitätsnachweis innerhalb der kommenden vier Jahre. Spätestens ab 2024 ist dann Schluss mit den öffentlichen Finanzspritzen. Auch die Kapazitätsgrenzen in Düsseldorf können Paderborn nicht retten, denn Münster und Dortmund liegen einfach günstiger. Lassen Sie uns endlich dieses unsägliche Kapitel schließen! Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.

Statt Millionen in diesen Flughafen zu versenken, muss in Zeiten einer sich immer weiter verschärfenden Klimakrise ein Umdenken vom Individualverkehr hin zu einem klimafreundlichen, sozialen und attraktiven ÖPNV stattfinden!

Zwar gibt es seit Anfang dieses Jahres das sogenannte „FairTicket“, aber fair geht anders! Denn nach wie vor ist eine Personengruppe, die von einem solchen Ticket profitieren könnte, davon ausgenommen: die Wohngeldempfängerinnen und –empfänger. Unsere Anfrage dazu ergab, dass allein im Kreis Paderborn mehr als 2000 Haushalte existieren, die allgemeines Wohngeld beziehen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, wenn dieses Ticket seinem Namen gerecht werden soll. Wir sind gespannt, wie es in 2020 weitergehen soll. Wir bleiben dran.

Schauen wir uns doch einmal den Ausbau des ÖPNV an. Im nph machen Bus und Bahn in 2018 gerade einmal knapp 11 % aus. Dieser Anteil soll bis 2030 auf 15 % und bis 2050 auf 20 % gebracht werden. Das heißt, dass der bisherige Anteil in den kommenden 30 Jahren gerade einmal verdoppelt werden soll. Das ist in Anbetracht der existenziellen Krise, in der wir alle stecken, völlig unzureichend. Jüngst sagte es die EU Umweltagentur treffend: Es ist fünf nach zwölf! Wir brauchen eine kommunale Verkehrswende, an der der Kreis und seine Kommunen gemeinsam an einem Strang ziehen müssen. Dabei darf der Blick nicht nur auf Bus und Bahn verharren, sondern muss um Rad und Fuß erweitert und vor allem aber mit diesen kombiniert werden. Auch wenn Wien als Großstadt mit einem ländlich geprägten Flächenkreis wie unserem schwer zu vergleichen ist, so sollte sie uns als Beispiel dienen! Dort sollen bis 2025 Bus, Bahn, Fuß und Rad ca. 80 % der Mobilität ausmachen! Der Individualverkehr in Form des Pkw muss zurückgehen. Das ist nicht nur gut fürs Klima, nein, es steigert auch die Lebensqualität der Menschen. Dies kann nur gelingen, wenn wir auf allen politischen Ebenen – also auch auf der kommunalpolitischen – endlich beginnen das Steuer herumzureißen, für eine nachhaltige ressourcenschonende Politik und für eine Veränderung der Lebensstile.

Kommen wir nun zu einem anderen Thema: Digitalisierung.

Wenn ich an dieses Thema denke, so fällt mir das Berliner Urgestein Wolfgang Neuss ein, der einst mal sagte: „Es genügt nicht nur, keine Ideen zu haben, man muss auch noch unfähig sein, sie umzusetzen!“ Denn die schleppende Weiterentwicklung und der langsame Ausbau digitaler Infrastrukturen in Bund, Land, aber auch bei uns vor Ort, sind nicht auf technische Probleme zurückzuführen, sondern auf politische! Es fehlt schlichtweg der politische Wille, aber auch das Verständnis dafür, was Digitalisierung eigentlich alles umfasst. Es reicht eben nicht aus, Schulen mit Computern oder Gemeinden mit Breitband auszustatten, sondern Digitalisierung heißt auch Änderung der Denkweise! Hier sei beispielsweise an den papierlosen Kreistag erinnert. Wenn nur zweidrittel der Kreistagsmitglieder am digitalen Kreistag teilnehmen und nach wie vor die sachkundigen Bürgerinnen und Bürger davon ausgenommen sind, haben wir in der Tat ein politisches Problem! Dasselbe beim Thema Livestream von Kreistagssitzungen. Meine Fraktion hat es in der Vergangenheit öfters auf die Tagesordnung gebracht. Passiert ist jedoch nichts! Absolut unverständlich für einen Kreis, der Leitkommune der digitalen Modellregion OWL ist. Städte wie Bonn, Essen, Meißen und Schwerin oder die Kreise Main-Kinzig, Segeberg oder Darmstadt-Dieburg sind da schon deutlich weiter. Überall wird mangelndes Interesse an der Politik beklagt, was man beim Blick auf die Zuschauerplätze während einer Sitzung der Kommunalparlamente sehr gut veranschaulicht bekommt. Livestreams von Ratssitzungen würde jeder Bürgerin und jedem Bürger die Möglichkeit der politischen Teilhabe geben. Barrierefrei und ortsunabhängig. Jeder, der bürgernah sein möchte, sollte sich ernsthaft mit Livestreams auseinandersetzen!

Ich komme nun zu meinen letzten Punkt, die Kreisumlage.

Es wurde viel darüber berichtet in den vergangenen Monaten. Wir als Fraktion sitzen im wahrsten Sinne des Wortes zwischen zwei Stühlen. Der Unmut der Kreiskommunen ist mehr als verständlich. Genauso aber auch die Lage des Kreises. Wir begrüßen es daher, dass es Bemühungen gibt, finanziell den Kommunen entgegenzukommen. Auch die verschiedenen Anträge der Fraktionen zeugen davon, dass etwas passieren wird, womit beide Seiten zufrieden sein können. Dennoch müssen wir uns frühzeitig Gedanken machen, wie es zukünftig weitergehen soll, denn auch die finanziellen Polster des Kreises sind begrenzt. Wir müssen gemeinsam mit anderen Kreisen mehr Druck auf Bund und Land ausüben. Zwar wurden bei dem zusätzlichen freien Kitajahr oder der Entlastung von Familien bei den Pflegekosten politisch richtige und wichtige Entscheidungen getroffen. Die dadurch entstehenden Mehrkosten aber müssen wir in den Kommunen übernehmen und das ist ein Unding! Hier muss unsere Kreisspitze energischer und engagierter die Interessen des Kreises und seiner Kommunen gegenüber Land und Bund klarmachen und durchsetzen! Aber auch die an die jeweiligen Regierungen beteiligten Parteien müssen hier innerhalb ihrer Gremien und bei ihren Landtags- und Bundestagsabgeordneten Druck machen!

Es dürfte daher kaum verwundern, dass wir auch dieses Jahr den vorgelegten Haushaltsentwurf ablehnen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen allen ruhige und besinnliche Festtage im Kreise Ihrer Familie und einen guten Rutsch in ein erfolgreiches und spannendes Jahr 2020.