Detail Fraktion DIE LINKE/Piraten

Anfrage zur Provenienzforschung im Kreis Paderborn

Kreistagsfraktion DIE LINKE./Piraten
OWL-PB

Ende 2018 hat der Museumsverband Mecklenburg-Vorpommern nach zwei Jahren Provenienzforschung festgestellt: Bei mehreren Hundert Ausstellungsstücken ist die Herkunft nicht geklärt, es ist nicht ge-klärt, ob sie nicht jüdischen Familien geraubt worden sind. NDR Kultur leitet ein entsprechendes Interview damit ein: „Deutsche Museen sind in Aufruhr. Thema der Stunde ist die Frage, woher die eigenen Bestände eigentlich stammen, wie sie in die Sammlung kamen und ob da alles mit rechten Dingen zu-ging.“

In diesem Zusammenhang stellt die Kreistagsfraktion DIE LINKE./Piraten die nachstehenden Fragen:

  • Wurde für die kreiseigenen Museen und Einrichtungen nachgeprüft und geforscht, ob alle Bestände rechtmäßig erworben worden sind, ob es dafür Nachweise gibt oder ob der Verdacht besteht, dass es sich bei Ausstellungsstücken bzw. Einrichtungsgegenständen um Raubkunst und geraubte Kulturgüter handelt?
  • Die der jüdischen Bevölkerung geraubten Güter wurden akribisch in Listen erfasst und dokumentiert. Gibt es im Besitz des Kreises oder im Archiv des Kreises solche Dokumente?
  • Das deutsche Zentrum Kulturverluste in Magdeburg fördert Projekte zur Provenienzforschung. Kennt die Verwaltung dieses Förderprogramm und plant die Verwaltung in unserem Kreis ein entsprechendes Projekt?

Inforamtionen zur Ausstellung "Betrifft: Aktion 3 - Deutsche verwerten jüdische Nachbarn"

Antwort:

Am 22.05.2019 antwortete die Kreisverwaltung auf die Anfrage der Fraktion mit der Drucksache 16.1211/1 wie folgt:

Zu Frage 1.)
Das Kreismuseum Wewelsburg hat die freiwillige Selbstverpflichtung der Washingtoner Prinzipien (Washingtoner Konferenz über die Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust, Washington, D.C, 1998) unterzeichnet. Seitdem sieht es sich in der Verpflichtung, Kunstwerke, die zwischen 1933 und 1945 beschlagnahmt oder erbeutet wurden, zu identifizieren und zu veröffentlichen, um sie den früheren Besitzern zurückzugeben. So werden in der Erinnerungs- und Gedenkstätte Exponate gezeigt, die als Beutegut oder unrechtmäßig erworbene Stücke gekennzeichnet werden.
Hintergrund: Während der SS-Zeit in Wewelsburg wurde das Kreisheimatmuseum nach Büren ausgelagert. Der SS-Archäologe Wilhelm Jordan legte ein SS-eigenes Museum mit vor- und frühgeschichtlichen Objekten, Fundstücken archäologischer Grabungen sowie Kunstwerken an, die Reichsführer-SS Heinrich Himmler oder seine Beauftragten auf Auktionen erwarben. Zum Kriegsende ist ein großer Teil dieser Sammlung verloren gegangen. Einige Objekte (Gemälde, vor- und frühgeschichtliche Funde) gingen in den Bestand des Kreismuseums oder des Altertumsvereins über. Letztere werden weitgehend als Leihgaben im Kreismuseum präsentiert. Wie sich durch Recherche der vergangenen zwei Jahre herausstellte, gibt es tatsächlich mindestens ein Objekt (Bronzeschwert) im Bestand des Kreismuseums, das 1939 von Heinrich Himmler auf einer Auktion erworben wurde, bei der beschlagnahmte Kunstwerke des jüdischen Sammlers Moritz Rothberger aus Wien versteigert wurden. Hier wird momentan versucht, die Erben ausfindig zu machen. Dieser Fund gibt begründeten Anlass, die aus der SS-Zeit überlieferte Sammlung bezüglich ihrer Provenienz zu untersuchen.

Zu Frage 2.)
Das Stadt- und Kreisarchiv verwahrt zahlreiche Dokumente und Unterlagen zur Geschichte der jüdischen Bevölkerungsminderheit, die teils bis in die frühe Neuzeit zurückreichen. In den Beständen finden sich daher auch Akten zur Arisierung in den 1930er-Jahren (die Datenbank weist allein bei einer unstrukturierten Anfrage etwa 20 Ergebnisse aus). Die Arisierungsakten enthalten in der Regel Verkaufs- und Inventarlisten, in welchen Vermögenswerte erfasst worden sind. Auszuwerten wären ferner sämtliche Akten zur Wiedergutmachung/ Entschädigung nach BEG (Bundesentschädigungsgesetz), die in großer Anzahl – insgesamt mehrere hundert Einzelvorgänge – im Stadt- und Kreisarchiv Paderborn, darüber hinaus aber auch im Landesarchiv NRW, Abt. OWL in Detmold vorhanden sind. Eine Provenienzklärung jüdischer Vermögenswerte erfordert allerdings akribische Forschung und war im Rahmen der gestellten Anfrage nicht zu leisten.

Zu Frage 3.)
Die Kreisverwaltung kennt die Förderprogramme des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste in Magdeburg und beabsichtigt einen Projektantrag zur Erforschung der Provenienz der nicht geklärten Objekte aus dem Bestand des Museumsbund des Altertumsvereins zu stellen. Außerdem beteiligt sich das Kreismuseum an dem Ausstellungsprojekt „Geschichte der Dinge“ – Provenienzforschung in Nordrhein-Westfalen“ des LWLs in Kooperation mit dem LVR. Die Wanderausstellung soll im September 2020 in Wewelsburg starten.