Rede zum Haushaltsplan 2018: links-alternative Anmerkungen

Linksfraktion Salzkotten, Paul Weitkamp

Vorrang für den motorisierten Straßenverkehr lautet wohl das Motto, das die Situation in der Innenstadt von Salzkotten entlang der B1 kennzeichnet. Abschreckend die „Blechlawine“, gesundheitsgefährdend die Schadstoffbelastung, abstoßend die Atmosphäre. Dies und andere soziale Probleme geht die Stadt und ihr Haushaltsplan nicht an. Auch in diesem Jahr wird die Linksfraktion im Stadtrat von Salzkotten den geplanten Haushalt ablehnen.

Rede zum Haushaltsplan 2018 der Stadt Salzkotten:

                                                                             Salzkotten, den 11.12.2017


Die Fraktion DIE LINKE Salzkotten lehnt den Haushaltsplan in der vorliegenden Form ab, weil er trotz positiver Ansätze zentrale soziale Ziele verfehlt bzw. erst gar nicht in Angriff nimmt.

Vielleicht ist noch das Wahlmotto erinnerlich, auf das ich mich – leicht abgewandelt – beziehe: Salzkotten, wo ich gut und gerne leben kann und mag. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen soziale Standards wie soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit verwirklicht, mindestens aber angestrebt werden.

Positiv vermerken wir, dass unsere jahrelange Forderung endlich umgesetzt wurde, nämlich die Kommunalsteuern auf die Höhe der fiktiven Hebesätze anzuheben, eine Maßnahme, die längst überfällig war. Für die örtliche Gesamtschule wird das Oberstufenzentrum gebaut und damit eine positive Entwicklung zu einer Schule für alle endlich, endlich umgesetzt. Leider lässt das neue Gebäude eine Gestaltung als soziales Zentrum für die umliegende Gemeinde schmerzlich vermissen und wir verstehen es als eine Art Schildbürgerstreich der Sparkommissare, wenn im Falle einer notwendigen Erweiterung des Gebäudes das Dach erst abgebaut, und nach Ergänzung um ein weiteres Stockwerk wieder obendrauf gesetzt werden soll. Positiv vermerken wir, dass der unsägliche Plan des Kolping-Bildungswerkes zur Errichtung einer „Hauptschule Plus“ und damit die schulpolitische Rolle rückwärts verhindert wurde.

Das Stadthaus auf der Langen Straße/Ecke Marktstraße wird von der Stadt selbst gebaut. Bedauerlicherweise werden dann aber die Wohnungen in den oberen Stockwerken per Investorenauswahlverfahren privatisiert und von dem Investor dann gewinnträchtig als Eigentumswohnungen verkauft.

Nach Inbetriebnahme der Carix-Anlage wird für alle Haushalte in der Stadt die Wasserqualität fühlbar verbessert; das wird von uns uneingeschränkt unterstützt.

Doch insgesamt erkennen wir in dem vorliegenden Haushaltsplan eine soziale Schieflage bzw. Lücken, die im Folgenden näher erläutert werden soll für die Bereiche

die örtliche Wohnsituation

Arbeit und Beschäftigung

Digitalisierung

Bildung

Finanzierung.

Mit dem schon erwähnten Stadthaus erfährt die Innenstadt sowohl städtebaulich als auch architektonisch eine deutliche Aufwertung.  Die im Erdgeschoss vorgesehenen Räume der Stadtbücherei und der VHS sind Zentren für die Öffentlichkeit und weit mehr als bloße Frequenzbringer für die Läden in der Umgebung. Über das Investorenauswahlverfahren verschenkt die Stadt jedoch Geld an die Investoren, die selbstverständlich verdienen wollen. Den Gewinn haben die Käufer der Wohnungen zu schultern. Die Stadt rechnet aus diesem Verkauf mit Einnahmen über rund 1,2 Millionen € in 2018 und 2019. Das ist ohne Zweifel eine stattliche Summe. Langfristig gesehen jedoch gibt die Stadt ihren Einfluss auf das Gebäude teilweise auf und verzichtet des kurzfristigen Gewinns wegen auf langfristige Einnahmen aus Vermietung. Wir fordern mehr Eigeninitiative der Stadt beim Wohnungsbau und Immobilienverwaltung, wofür selbst verständlich auch qualifiziertes Verwaltungspersonal eingestellt werden muss. Zugegeben, die Renditen errechnen sich nur langfristig. Andererseits zeigt gerade die Entwicklung des Wohnungsmarktes und die ständig abnehmende Zahl von preiswertem Wohnraum, dass der viel gepriesene Wohnungsmarkt versagt hat und preiswerter Wohnraum bei uns auch kaum noch zu finden ist. Vor diesem Hintergrund hatte die örtliche Linksfraktion vor einigen Monaten gefordert,    25 % der zum Verkauf anstehenden städtischen Grundstücke für geförderten Wohnungsbau vorzusehen und 10 % in städtischer Regie und Verwaltung zu behalten – alternativ in genossenschaftlicher Trägerschaft. Mit Hohn und Spott haben einige Ratsfraktionen auf unser Ansinnen reagiert; wenige Wochen später jedoch folgte die Fraktion der CDU in Paderborn unseren Vorstellungen und wünschte, dass 30 % der städtischen Grundstücke für geförderten Wohnungsbau bereitgestellt werden sollen. Ein Erkenntnisgewinn in der hiesigen Mehrheitsfraktion blieb aus.

Um weitere wohnungswirtschaftliche Aktivitäten der Stadt voranzubringen, haben wir gefordert, dass Verkaufsverhandlungen seitens der Stadt aufgenommen werden und Nutzungskonzepte entwickelt werden für die „Dreckburg“ mit ihren geschichtsträchtigen und ortsbildprägenden Gebäuden. Angedacht ist eine Nutzung für ein sozio-kulturelles Zentrum sowie für Mietwohnungsbau für preiswertes Wohnen. Langfristig sind wir überzeugt, dass Wohnen nicht länger Ware sein darf, sondern zur öffentlichen Daseinsvorsorge zu zählen ist. Der ausufernde private Wohnungsmarkt schafft keine Lösungen, sondern verschärft die sozialen Probleme.

Ganz anders dagegen die Verfahren beim Verkauf von erschlossenen Gewerbegrundstücken, die manchmal zu Dumping-Preisen veräußert werden, da die Städte sich wechselseitig unterbieten, um gefragte Investoren anzulocken. Die interkommunale Zusammenarbeit hat an dieser wichtigen Stelle ihre engen Grenzen. Der marktwirtschaftlich so hochgelobte Wettbewerb entpuppt sich für die Kommunen als Garant für Einnahmeverluste und sichert Investoren Dumpingpreise. Bei den Kommunalsteuern gab es ähnlichen, unsinnigen Dumpingwettbewerb.


Gesundheit und Soziales

Auch die Gesundheit der Bewohner und Bürger sollte nicht vom „Geldbeutel“ abhängig sein oder von anderen äußeren Umweltfaktoren. Wir hatten beantragt, die Schadstoffbelastung in der Luft und Atmosphäre in der Innenstadt entlang der B1 erst einmal per Luftschadstoff-Screening zu erfassen und Hypothesen zusammenzutragen statt zu spekulieren. Wie auf einer Liste mit ca. 200 Unterschriften hatten auch wir gefordert, die Schadstoffbelastung dort mit einer Art Hochrechnung, dem sogenannten Luftschadstoff-Screening, zu erfassen. Unverständlich, dass eine Ratsmehrheit diesen Antrag ablehnte; sie hätten ihn ja gerne erweitern können! Eine Art „Vogel Strauß-Politik“: mit dem Kopf in den Sand sind keine Probleme mehr erkennbar. Allerdings scheint sich durch unsere Hartnäckigkeit ein Umdenken anzubahnen.

Die Umgehungsstraße/B1 Neu, soll hier die dringend benötigte Entlastung bringen. Gut so! Wir hoffen sehr, dass sie so bald wie möglich kommt, denn sie ist seit etwa 50 Jahren überfällig. Erste Überlegungen datieren aus dem Jahre 1966! Und jetzt noch einmal zwölf Jahre warten, bis 2030? Bis dahin müssen dringend Entlastungsmaßnahmen ergriffen werden, zum Schutz der Anlieger und Bewohner – viele davon in Seniorenheimen entlang der B1 – für Besucher, Käufer und Verkäufer. Der unsägliche PKW- und Lkw-Verkehr und die tägliche Blechlawine sind eher“ Schadensbringer“, durch die sich Menschen ängstlich hindurchzwängen. Es ist nachgerade gefährlich, wie kilometerlange Schlangen selbst ein Durchkommen für Rettungswagen problematisch machen.

Zum Schutz für Mensch und Natur hatten wir Übergangsmaßnahmen gefordert wie mehr Zebrastreifen und“ Tempo 30“ entlang der B1 im Stadtgebiet, um alle, besonders aber die Anwohner in den vielen Seniorenheimen zu entlasten. Antrag abgelehnt, weil die Stadt nicht zuständig sei. Das ist zweifelsfrei richtig, aber Rat und Verwaltung könnten sich für Entlastungsmaßnahmen bei der zuständigen Stelle, hier „Straßen NRW“, einsetzen. Nicht zuständig? Eine plumpe Rechtfertigung. Auch weigerte sich die Stadt zunächst, die Ergebnisse der Verkehrszählung aus 2015 auszuwerten. Jetzt endlich liegen belastbare und verwertbare Zahlen mit Anmerkungen vor.

In 2017 wurde der ÖPNV in unserer Stadt mit der Ausschreibung und Vergabe des Linienbündels  12 neu organisiert und ohne Zweifel deutlich verbessert. Taktung und Anbindung der Verkehrsmittel scheint gut gelungen zu sein – von wenigen Ausnahmen abgesehen. Doch die Fahrpreise vor allem für Kurzstrecken wie Einkaufsfahrten sind eindeutig abschreckend und die geringe Werbung auch keine Einladung. Allen Appellen zum Trotz, so kann das Angebot bei den gewünschten Kunden nicht ankommen! Stattdessen hätten Rat und Verwaltung einen Antrag auf örtliche Einführung des Sozialtickets über den Kreis Paderborn auf den Weg bringen können. Fördermittel des Landes hätten nach Auskunft des zuständigen Sachbearbeiters beim Regierungspräsidenten Detmold noch zur Verfügung gestanden. Und noch scheint es nicht zu spät, denn die neue schwarz-gelbe Landesregierung scheint mit ihren Plänen nicht ganz durchzukommen; sie wollte die Förderung des Sozialtickets ab 2018 streichen. Offensichtlich gibt es erhebliche Gegenwehr und durchaus mögliche Erfolge. So wären keine gesonderten städtischen Mittel aufzubringen, um ein Sozialticket für und in Salzkotten einzuführen. Bleibt es trotzdem dabei, dass die Stadt an solchen sozialpolitischen Initiativen und Signalen wenig interessiert ist? Wir fordern spürbare Entlastung für alle Personen mit geringem Einkommen, besonders für Bezieher von Transferleistungen.


Arbeit und Beschäftigung

Es sind schon erhebliche Summen, die die Stadt bewegt für Aufgaben und Arbeiten, die sie an örtliche und überörtliche Unternehmen vergibt. Entsprechend lang ist die diesbezügliche Liste, die regelmäßig dem Rat und Fachausschuss zur Kenntnis vorgelegt wird. In den allermeisten Fällen, so die Vorlagen, erhält der günstigste Bieter den Zuschlag. Das ist nicht falsch, aber unzulänglich. Denn nach den Beschäftigungsverhältnissen beim Auftragsnehmer wird selten bis nie gefragt, geschweige denn Kontrollen vorgenommen. Es gebe doch das „Tariftreue“-Gesetz des Landes. Ja, noch gibt es das; aber was ist es wert, wenn dessen Einhaltung nie oder ganz selten kontrolliert wird?

Fehlende Kontrolle wirkt als Freibrief; aktuell ist einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), einer wirtschaftsnahen Einrichtung, zu entnehmen, dass“ Millionen Arbeitnehmern (…) der Mindestlohn verwehrt (wird).“ (NW, 7.12.2017).“ Auf 2,5 Millionen steige diese Zahl, wenn man die Leute hinzunehme, deren tatsächliche Arbeitszeit so lang ist, dass ihr Stundenlohn unter die Mindestschwelle sinkt.“ (NW, ebd.) Eine erschreckende Zahl, bundesweit. Bestimmt gibt es aber auch in unserem idyllischen Salzkotten einige Beispiele. Da kann man gut als Sponsor freiwillige Spenden öffentlichkeitswirksam platzieren!

Um nicht missverstanden zu werden: auch die Linke weiß um die Nöte und Engpässe der Klein-und Mittelbetriebe, die unter wirtschaftlichen Druck der großen Konkurrenten geraten. Hofiert durch die herrschende Politik aber werden - dem marktwirtschaftlichen Wettbewerbsprinzip folgend - die großen Betriebe, die Kleinen bleiben zurück oder „auf der Strecke“ und mit ihnen ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch immer geringere Löhne gedrückt werden. Deutschland verzeichnet in der westlichen EU die meisten Beschäftigten, die im Niedriglohnsektor arbeiten. Auch in und für Salzkotten sind öffentliche Gegenstrategien angezeigt. Denn gäbe es keine Geringverdiener, die ihren kargen Lohn“ aufstocken“ müssen, um zu überleben, dann würde der Sozialetat des Kreises um ca. 20-25 % entlastet und die Kreisumlage sich verringern! Politische Bemühungen in diese Richtung scheinen hier und heute leider nicht mehrheitsfähig, wiewohl überfällig!


Digitalisierung

Wie ein Zaubermittel wird derzeit Digitalisierung als Superthema und politisches Allheilmittel angepriesen. Sie ist zweifelsohne wichtig, aber in ihrer rein technologischen Dimension überschätzt und sicherlich kein automatischer Garant für politischen und sozialen Fortschritt. Digitalisierung oder das Internet der Dinge, gesteuert von wenigen globalen Konzernen, bringen voraussichtlich erhebliche Produktivitätssteigerungen, bewirken aber ebenso, dass immer mehr Menschen durch Maschinen und Roboter ersetzt werden. Es besteht die Gefahr, dass menschliches Verhalten immer mehr den Maschinen angepasst wird und technokratische, Algorithmen-basierte Lösungen an die Stelle demokratisch herbeigeführter Entscheidungen treten. Sozialer Fortschritt sieht ganz anders aus!

Kommen wir zu unseren örtlichen Verhältnissen zurück. In Delbrück wurde kürzlich realisiert, was wir, die Linksfraktion Salzkotten, in Zusammenarbeit mit“ Freifunk Hochstift E. V.“ für unsere Stadt beantragt hatten: freien WLAN-Zugang im Bereich der Stadtmitte und in den Zentren der Ortsteile. Der Stolperstein „Störerhaftung“ (wer den „Hotspot“ zur Verfügung stellt, haftet für den Missbrauch) war durch Bundesinitiative beiseite geräumt, Landesmittel zur Förderung hätten abgerufen werden können und der Finanzaufwand der Stadt hätte unter 1000 € betragen, je nach technischem Aufwand. Die Funkantenne auf dem Kreishaus in Paderborn wurde kürzlich installiert, eine ähnliche Einrichtung auf dem Rathausdach in Salzkotten fehlt bisher. Auch die Stadtteile können so nicht versorgt werden. Die Stadt Delbrück macht es vor, wie es gehen kann. Konkurrenz zum Breitbandausbau war und ist das freie WLAN nicht; es reicht für einfachen Internetzugang und zum Telefonieren, nicht für größere Datenvolumina. Den kommerziellen Interessen weniger Gewerbe-treibender wird seitens der Stadt der Vorrang vor dem allgemeinen Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger eingeräumt. Das ist Klientelpolitik, die einer zukunftssicheren Stadtentwicklung schadet.

Projekte mit dem Ziel der Förderung von Digitalisierung schießen derzeit gleichsam wie Pilze aus dem Boden. Beispielsweise „Regiopolregion Paderborn – auf dem Weg in eine gemeinsame regionale Zukunft.“ Gekoppelt sind diese Projekte mit Fördermitteln, hier des Landes NRW, aber immer regional und zeitlich begrenzt, sodass am Ende der Förderphase häufig das Aus droht. In den Gremien und Beiräten dieses und ähnlicher Förderprojekte finden sich die üblichen „Verdächtigen“: die herrschende politische Elite und die Vertreter der Wirtschaft und ihre Lobby und manchmal auch hohe Repräsentanten christlicher Kirchen. Arbeitnehmer und deren Vertreter sind entweder nicht beteiligt oder hoffnungslos in der Minderzahl und damit ohne deutlichen Einfluss. Das Ziel, Digitalisierung als Nutzen für alle, das ist in weite Ferne gerückt, wenn das überhaupt beabsichtigt war!


Bildung

Auch in diesem Bereich ist noch „viel, viel Luft nach oben“. Wir können nur hoffen, dass alle örtlichen Schulen möglichst bald die technische Ausstattung und auch genügend ausgebildetes Personal erhalten, um die nächste Generation von Schülerinnen und Schülern so zu bilden und auszubilden, dass sie in Zukunft bestehen können.“ Digitalisierung in der Schule – aber sicher“, so titelt die GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) (NDS 12/2017), fordert aber gerade deswegen die nötigen Voraussetzungen und Ressourcen an Material, Geld und Personal, aber auch Aufklärung über Nutzen und Nachteile der Digitalisierung. Diese Entwicklung darf nicht an zufällige Sponsorengelder und ideologischen Einfluss der Wirtschaft gekoppelt sein.

Auch regelmäßige Elternbeiträge zu schulnahen und schulergänzenden Maßnahmen stehen größerer Bildungsgerechtigkeit im Wege. Für die Linke gehören alle Bildungsangebote zur Daseinsvorsorge, die öffentlich verantwortet und getragen werden müssen. Auch Bildung ist keine Ware! Der Ausbau von Kita-Angeboten auch im U-3-Bereich kommt viel zu langsam voran, nicht einmal 50 % aller Kinder haben einen Platz. Dabei gibt es ein Recht auf einen Kita-Platz – auf dem Papier! Es ist Recht à la von der Leyen oder à la Bundesregierung. Ein Rechtsanspruch wird gesetzt, um dessen Finanzierung und Ressourcen sowie Standards mögen sich andere kümmern: die Länder oder die Kommunen. Das ist Politik nach Art von Sparkommissaren.

Auch die Verpflichtung zum Ziel der inklusiven Gestaltung von Schule und Bildung hat die Bundesregierung unterschrieben, die Ausgestaltung überlässt sie dann den Ländern. In NRW wurde diese Aufgabe leider auch teilweise als Sparinstrument eingesetzt: viele Förderschulen wurden geschlossen, die aufnehmenden, allgemeinbildenden Schulen aber im Regen stehen gelassen: kein ausreichendes und für die neuen Aufgaben qualifiziertes Personal, wenig Sachausstattung mit Lehr- und Lernmitteln, keine entsprechenden Räumlichkeiten. Die Quittung kam bei der diesjährigen Landtagswahl; Bildung war dabei wohl ein Zentralthema bei Wahlentscheidungen.

Jetzt nun herrscht im Lande eine Regierung, die das althergebrachte Schulsystem so sehr liebt, dass sie Veränderungen lieber ganz zu vermeiden wünscht – wie einige privilegierte Eltern auch. Wir sind froh, dass wir unsere Gesamtschule, eine Schule für alle, als Turm der Bildung vor Ort haben und damit auch die gebundene Ganztagsschule.

Es ist nicht hinzunehmen, dass von den drei Schulnachmittagen einer wegen Personalmangel aufgegeben werden musste. Es ist nicht Aufgabe der Eltern, hier ersatzweise Betreuungsarbeit zu leisten. Der Betreuungsarbeit nämlich fehlt die pädagogisch-professionelle Grundlage. Sie sollte nicht das Kennzeichen des schulischen Ganztags sein. So sind weder Bildungsgerechtigkeit herzustellen, noch ist die nachwachsende Generation umfassend vorzubereiten auf Beteiligung und Teilhabe an der gesellschaftlichen Entwicklung.

Es ist allgemein bekannt, dass die heutige Generation anders aufwächst als die vorherigen. Wir haben heute zerrissene Familien – ob die Eltern geschieden sind oder nicht –, haben Elternteile, die beide arbeiten müssen oder einer sogar zwei Jobs hat; wir haben „Bedarfsgemeinschaften“, „Patchwork“-Familien, zu kleine und zu teure Wohnungen und Leute mit ständigen finanziellen Engpässen. Die einen arbeiten sich zu Tode, die anderen langweilen sich zu Tode (Oscar Negt), weil letztere aus der Erwerbsarbeit „freigesetzt“ wurden. All diese Prozesse haben heftige Auswirkungen auf die Arbeits- und Wirkungsmöglichkeiten auch von Schule und Bildung. Dringend benötigt werden, um allzu frühen Absturz der Kinder vorzubeugen, mehr Personal für Schulsozialarbeit und ein Ausbau multiprofessioneller Teams an Schulen.

Einen entsprechenden Antrag der Fraktion von Bündnis 90/die Grünen auf Entwicklung eines Konzeptes zur Schulsozialarbeit für die örtlichen Grundschulen haben wir gerne unterstützt. Die Gesamtschule als weiterführende Schule täte gut daran, so meinten wir, in das Konzept mit eingebunden zu sein. Doch zu diesen Überlegungen kam es erst gar nicht. Die Mehrheitsfraktion meinte, dass ein Konzept nicht nötig sei, weil der Bedarf aktuell gedeckt und die praktizierte Einzelabstimmung zwischen der jeweiligen Schule und der Verwaltung ausreichen würde. Also: Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Das ist nichts anderes als eine offensichtliche Beschneidung des Rates, seiner Fachausschüsse und deren politischen Aufgaben. Die Zuständigkeit der Politik wird durch die der Verwaltung ersetzt.

"Wir sind hier nicht im Landtag oder im Bundestag" das zitiere ich sinngemäß. Sollen wirklich die örtlichen Probleme in und für Salzkotten außerhalb der örtlichen Politik bearbeitet werden? Diese scheinbare Arbeitsteilung läuft auf ein Schubladendenken hinaus, dass letztlich wie ein Denkverbot wirkt.

Und wer soll dann die Probleme lösen, die die Schülerinnen und Schüler mit in den Unterricht hineintragen, ohne dass sie dort auch bearbeitet und gelöst oder gelockert werden können? Die Eltern allein sollen diese Verantwortung tragen? Ein solches Konzept kehrt Probleme unter den Teppich, nur um das eigene konservative Familienbild aufrechterhalten zu können! Hier manifestiert sich ein traditionalistisches, wirklichkeitsfernes Familienbild, das nicht weit entfernt ist von dem reaktionären à la Frau von Storch.

Ohne Zweifel ist Schulsozialarbeit eine originäre Aufgabe der Schule und fällt damit in die Zuständigkeit der Landesregierung, die es bisher versäumt hat, diese Angelegenheit einheitlich und grundsätzlich im Schulgesetz zu regeln. Wer oder was aber hindert die politisch Verantwortlichen in unserer Stadt, genau dies mit einem wohl überlegten Konzept bei den zuständigen Stellen, bei der Landesregierung einzufordern?


Finanzierung

Ja, alles Blütenträume sind das! Und wer soll das bezahlen? Versuch einer indirekten Antwort: derzeit kassiert der Staat die höchsten jemals erzielten Steuern, die Wirtschaft“ brummt“, die Wirtschaftsgewinne explodieren. Nur bei den Arbeitnehmern und dem sogenannten „einfachen Volk“ kommt dieser Geldsegen nicht an. Oftmals auch nicht bei den Kommunen. Und so verfallen auch diese in eine Sparpolitik. Der Rotstift wird vorrangig angesetzt im sozialen Bereich und zentrale Aufgaben der Daseinsvorsorge werden outgesourced an die Bürgergesellschaft und Ehrenamtliche, an Wohlfahrtsverbände und Ersatzträger, damit diese ihre Beschäftigten kostensparend einsetzen können.

Auch rechnet sich unsere Stadt ärmer als sie tatsächlich ist. So wird das überschüssige Jahresergebnis für 2017 nach Aussagen des Kämmerers voraussichtlich um 0,8 Millionen netto günstiger ausfallen als geplant. Vermutlich gilt ähnliches für 2018. Der finanzielle Spielraum der Stadt ist gar nicht so eng wie gerne behauptet wird. Auch bei der Gewerbesteuer ist durchaus „Luft nach oben“, wie Nachbarstädte dies vormachen.

Außerdem muss die öffentliche Hand, auch unsere Stadt, möglichst schnell eigenwirtschaftliche Initiativen – zum Beispiel im Bereich des Wohnungsbaus – entwickeln und über heutige Investitionen langfristig die Einnahmesituation der Kommune dauerhaft stärken. Damit öffnen sich auch finanzielle Spielräume, um soziale Projekte öffentlich finanzieren und gestalten zu können.

Wir können hier kein schlüssiges alternatives Haushaltskonzept vorlegen, dazu fehlt uns als kleinste Fraktion im Rat auch das Personal. Es genügt auch nicht, ein wenig Kosmetik anzubringen an der ein oder anderen Haushaltsstelle. Wir fordern nichts Geringeres als einen Perspektivenwechsel, wie wir an einigen Stellen exemplarisch dargelegt haben. Wir wissen auch, dass die Kommunalsteuern die finanziellen Engpässe, ja Miseren der Kommune nicht grundlegend ändern können. Dazu bräuchte es eine bundesweit andere Steuerpolitik. Überfällig ist auch seit langem, dass Aufträge, die vom Bund oder vom Land erteilt werden, auch kostendeckend mit Finanzen sowie anderen Ressourcen ausgestattet sind. Nur ein Beispiel: die Flüchtlingspolitik ist eine Aufgabe des Bundes. Wären hier kostendeckend Fördermittel geflossen, wäre die Haushaltslage unserer Stadt um mehrere 10-,  ja 100.000 € entlastet worden. Die Inklusionspolitik wäre ein ebenso markantes Beispiel. Aber ich höre hier auf; die Rede ist schon sehr lang. Als ich mich aber im Vorhinein bemühte, sie zu kürzen, wurde sie stattdessen länger. Also keine weiteren Überarbeitungen.

Viele der aufgezeigten Komponenten fehlen unseres Erachtens im aktuellen Haushaltsplan und damit auch die ökonomische „Spur“, die sozialen, kulturellen und politischen Entwicklungschancen unserer Stadt weiter zu festigen. Die “schwarze Null“ ist ein Irrlicht, ein bewusst eingesetztes, ideologisches Zwangsinstrument. Der soziale Zusammenhalt entscheidet dagegen maßgeblich über die gedeihliche und zukunftssichere Entwicklung unserer Stadt.

Wenn alle und wirklich alle in Salzkotten gut und gerne leben, dann ist einem Teil der rechten Propaganda und ihrer Hetze der Boden entzogen. Daran können und sollten wir gemeinsam arbeiten.

Ich danke für die Aufmerksamkeit und für die Geduld.


Paul Weitkamp

Fraktionsvorsitzender